Orientierung

Verführerische Schönheit

In meiner frühsten Jugendzeit hatte mich bereits grazile weibliche Schönheit fasziniert, was nichts Außergewöhnliches wäre. Zudem waren meine Eltern bereits in den frühen 60er Jahren musikalisch progressiv interessiert. So umfasste die Schallplattensammlung meiner Eltern – damals in stilvollen Haushalten ein edel gehüteter Schatz – Alben von Joan Baez, Charles Aznavour, Reinhard Mey, Lester Flatt & Earl Scruggs und auch Alben von Françoise Hardy und Marie Laforêt. Letztere beiden Sängerinnen und Musikerinnen zelebrierten nicht nur den französischen Chanson ausgezeichnet, sondern waren zudem zwei bildschöne junge Frauen. Dies hinterließ bei mir den wohl etwas übertriebenen Eindruck, dass alle Französinnen besonders attraktiv seien. Allerdings sah ich mich durch meine ersten Reisen nach Frankreich darin zudem bestätigt.

„I always obeyed her demands“

Kürzlich hatte ich mir die wunderbare Musik von Françoise Hardy aus ihrem zweiten Studioalbum „Le premier bonheur du jour“ von 1963 aufgelegt und das Booklet zur CD förmlich aufgesogen. Folgende Passage ließ mich inne halten, sie versetzte mich in den damaligen Zeitgeist, Zitat:

„… I always hated contests. But I did everything I was told because I was ignorant, and with a single mother who was strict, I always obeyed her demands, too …“

Die Worte „I always obeyed her demands“ habe den Anschein eines Relikts längst vergangener und vergessener Zeiten. Nicht zu glauben, Gehorchen wurde einst in Erziehung, Schule und Ausbildung nicht verächtlich abgetan.

Spielregeln und Ungerechtigkeit

Zu gehorchen ist eine wesentliche Stütze in der Erziehung, sie lernt uns bei Zeiten soziale Integrationsfähigkeit. Das Leben ist nun mal kein Wunschkonzert. Ein friedliches Zusammenlebens bedarf der Einhaltung von Spielregel, ohne diese in endlosen Grundsatzdiskussionen ständig in Frage zu stellen. Im selben Atemzug sei die frühe Aneignung des Umgangs mit Ungerechtigkeit erwähnt. Auch wenn verständlicherweise Eltern nur das Beste für Ihre Kleinsten zum Ziel haben, ist das kurzfristig Beste nicht zwingend das langfristig Nützliche fürs Leben. Der Umgang mit der Vergabe von Schulnoten ist das Paradebeispiel. Wozu wird von mutmaßlich „fürsorglichen“ Eltern über einzelne Schulnoten ihrer Sprösslinge gefeilscht. Vermutlich fühlen sich die Kinder selbst infolge der Vorsprache ihrer „besorgten“ Eltern im höchsten Maß bloßgestellt. Absolute Gerechtigkeit kann und wird es im Leben nicht geben. Wer im Kindesalter versäumt hat, den Umgang mit Ungerechtigkeit zu erfahren, wird im späteren Leben Schwierigkeiten haben, die innere Balance im Umgang mit Ungerechtigkeiten zu finden. Dies ist allerdings keineswegs als Freibrief für jegliche Form von Ungerechtigkeit misszuverstehen.

Charaktertyp

Noch heute höre ich die Wort von meinem Religionslehrer der 5. Klasse, Zitat:

Wird Kinder jeder Stein aus dem Weg geräumt, fallen sie später über kleinste Steinchen!

Nota bene war ich weiß Gott keine Fan vom Religionsunterricht, jedoch unser Religionslehrer, Herr Bielmeier, war eine außergewöhnlicher Charaktertyp, der tatsächlich zu größeren Aufgabe berufen war, als lediglich uns Schüler zu unterrichten. Für uns Schüler der 5. Klasse jedenfalls schwebte Herr Bielmeier weit über unsrem damals noch tief liegenden Horizont.

Dr. Harald Klein

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