Es war bestes Bergwetter prophezeit. Da gab’s doch noch eine weitere abwechslungsreiche und selten begangene Bergtour: Der Steinfalk im Karwendel. Da galt’s nicht lang zu überlegen. Das Klein-Bike ins Auto und zur Sicherheit kommt der Helm mit. Vor der Morgendämmerung um ca. 6 Uhr machte ich mich auf den Weg, so dass ich um 8 Uhr vor der Mautstelle mit dem Radl starten konnte. Bei traumhaften Wetter führt mich die Forststraße das Johannestal hinauf.
Nachdem der steile Anstieg, die Johannesschlucht rauf, geschafft ist, freu ich mich über den erholsamen flachen Abschnitt. Kurz geht’s sogar runter, bevor’s wieder ungemütlich wird. Heut ist keine Menschenseele unterwegs. Bin jedes mal auf’s Neue überrascht, wie schnell man alles hinter sich lassen kann.
Zum Glück ist’s noch schattig, ins Schwitzen komm ich eh genug und frag mich auf’s Neue: „Wozu tu ich mir das an?“ Doch die Belohnung, es geschafft zu habn, bedankt sich mit einem Gefühl von Hochgenuss. Was gibt’s Schöneres!
Das nächste Highlight steht bereits an, der Blick zum Tagesziel. Der Aufstieg folgt im wesentlichen der Gratlinie, meist etwas unterhalb. Nach der Ladiz Alm führt ein breiter Jägersteig zurück nach Norden anfangs flach und zunehmenden steiler bis kurz unterhalb den Wiesnmatten. Da bin ich froh endlich vom Radl absteigen zu dürfen, mein Rücken dankt’s mit einem entspannenden Zusammenziehn der Schulterblätter. Vermutlich war’s überflüssig das Radlschloss mit zu schleppen, immer noch war weit und breit keine Menschenseele zu sehn. Jetzt ging’s zuerst durch lichten Wald und anschließend mäßig steigend die Wiesnmatten in Richtung Nordgrat hinauf.
Von da an führt der Steig weiter Richtung Norden und bald wird’s spannend. Nun gilt es die Schlucht hinab zur Arzklamm auf steilem Wiesngelände zu queren. Hier gilt’s jeden Schritt mit Bedacht zu tun. Wer hier ins Rutschn kommt, findet keinen Halt mehr und brettert mehrere 100 Meter tief die Arzschlucht hinab. Bei Nässe empfiehlt’s sich, die Bergtour hier zu beenden.
Die heikelste Stelle ist damit vollbracht. Nun führt der Steig leicht bergab um eine Rippe herum und weiter bergab bis man ein paar Gratköpfl über sich umgangen hat. Hier hab ich wohl zwei Gemsen verärgert, die beim Klettern ein paar Stein zu mir hinunter geschickt habn. Zum Glück hatte ich meinen Helm bereits angelegt gehabt.
Jetzt führt der Steig in leichter Kletterei zu einer Scharte hinauf. Von da an wendet man sich der Ostseite des Nordgrats zu. Hier eröffnet sich der Blick zum Gamsjoch und tief hinunter zu den Laliders Almen.
Nun führt der Steig östlich der Felsabbrüche des Nordgrats steil hinauf bis zum Ostgrat des Steinfalks. In einem letzten Aufschwung geht’s über den Ostgrat endlich zum Gipfel hinauf.
Hier eröffnet sich bei schönstem Bergwetter ein grandioser Rundumblick. Im Südwesten Ödkarspitzn, Birkkar-, Kaltwasserkar- und Moserkarspitz, im Süden die Wände der Vomperkette, im Osten das Gamsjoch, im Norden der Laliderer und Rißer Falk und im Westen die östliche Karwendelspitz.
Ganz allein durft ich den Gipfel bei grandiosem Ausblick und meiner Brotzeit genießen. Wie wunderschön ist unsre Natur und besonders das Karwendel bei herbstlichem Kaiserwetter. Und dann kam mein Besuch. Eine einsame Bergdohle hat mich entdeckt und wollt gemeinsam mit mir Brotzeit machen. Gern hab ich meine Cabanossi mit ihr geteilt. Zum Abschied hat sie es mir mit einem ganz persönlichen Rundflug gedankt.
Hier ein kurzes Videoschnipsel von meiner treuen Bergdohle Videosequenz Bergdohle. Nach ca. einer Stunde hab ich mich auf den Rückweg gemacht, weiterhin ohne das mir jemand begegnet wär.
Tatsächlich nachdem ich das Gratköpfl wieder umgangen hatte, ist mir ein Vater mit zwei Kindern begegnet. Und im Gegenanstieg ein weiterer einzelner Bergsteiger. Daran hatte ich nicht mehr geglaubt. Nach der heiklen Querung der Arzschlucht – diese wirkte im Rückweg harmloser – kamen noch drei weitere Bergsteiger hinzu. Der einzelne Bergsteiger sah offensichtlich keine Aussicht auf den Gipfel und kehrte folglich um. Hier eine kurze Videosequenz von den drei Bergsteigern nach der Querung in der Abstiegspassage zur oben genannten Rippe Videosequenz drei Bergsteiger. Auf der Wiesnmatte begegnete mir tatsächlich noch ein weiterer einzelner Bergsteiger aus der Schweiz. Das war’s mit den Bergsteigern für heut. Oben auf den Wiesnmatten gönnte ich mir eine kurze Pause, bevor’s gemütlich diese hinunter ging. Beim Radl angekommen, war die Freude auf eine gemütliche Abfahrt groß. Und bis zur Ladiz Alm durft ich auch noch die Sonne genießen. Damit konnt ich ein grandioses Bergsteigerjahr 2019 gebührend abschließen.
Dr. Harald Klein