Der nächste Morgen zeigte sich von seiner besten Seite ohne eine Wolke am Himmel. Nachdem ich eineinhalb Wochen zuvor von Norden den Gleirscher Fernerkogl als Ziel hatte, ging’s nun von Süden zum Winnebacher Weißkogl. Der zugehörige Gleirscher Ferner und der Weißkoglferner werden lediglich von der Roßkarscharte getrennt. Von der Hütte geht’s am schneebedeckten Winnebachsee vorbei und die Route zieht sich anfänglich flach nach Norden ins Winnebachkar hinauf.
Nachdem das Kar nach Osten abknickt ist eine kurze Steilstufe zu überwinden. Bei der folgenden Querung kann man das Winnebachkar Richtung Süden über den sehr steile Winnebachferner zu einer Scharte unterhalb des Westlichen Seeblaskogls verlassen, wir steigen jedoch weiter zum Winnebachjoch auf.
Am Winnebachjoch trifft man mit der Route vom Westfalenhaus zusammen. Einer der ankommenden Skibergsteiger hatte sich offensichtlich beim Griff an die Skikante an der Hand verletzt. Mein Pflaster konnte nur vorübergehend die Blutung stillen, so dass die Wunde doch mit einem Verband versorgt werden musste.
Christa hatte im Aufstieg wiederholt mit ihrer Pin-Bindung Schwierigkeiten. Diese kosteten ihr viel Kraft, so dass ich mich allein auf den Weg zum Gipfel machte. Die Route führt nun zügig zum Weißkoglferner hinauf. Wie meist im Hochgebirge wird auch bei dieser Tour der letzte Anstieg zum Gipfel sehr steil. Im schattigen Nordnordost Hang galt es das Skidepot einzurichten. Der Gipfel war über eine steile teils freie Rinne zu besteigen. Die verbliebenen Skibergsteiger waren entweder mit Steigeisen oder Pickel ausgerüstet. Bei entsprechender Vorsicht war der Gipfel allerdings auch ohne Hilfsmittel gut zu besteigen. Oben angelangt zeigte sich der Gipfel von seiner harmlosen Seite und ich wurde mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt.
Nach kurzer Pause galt es die steile Rinne abzusteigen. Aus Gründen der Vorsicht stieg ich wie aufsteigend bäuchlings hinab. Im Einstiegsbereich war der Schnee hart gepresst und glatt, so dass jeder Schritt bedacht gesetzt werden musste. In der Mitte der Rinne war an einer leicht ausgesetzten Stelle wiederum Sorgfalt angezeigt. Von da an ging es zügig zum Skidepot hinunter.
Im steilen Hang des Skidepots hatte ich Schwierigkeiten die Pin-Bindung zu fixieren. Offensichtlich war der Schnee im Vorderbacken, infolge der eisigen Kälte des Nordnordost Hangs hart gefroren, so dass sich der Skischuh beim Einsteigen nicht mehr ordentlich fixiert lies. Nach etlichen Versuchen konnte ich endlich doch die Bindung einrasten. Jedoch bereits nach kurzer Querfahrt löste sich die Bindung erneut. Ich hatte mich fast schon damit abgefunden gehabt, den steilen Hang zu Fuß abzusteigen, da konnte ich doch abermals die Bindung fixieren. Verunsichert durch das Gefühl die Bindung könne sich jederzeit erneut lösen, legte ich meine ersten Schwünge in den steilen Hang. Jedoch bereits nach ca. 50 Höhenmeter Abfahren löste sich mein linker Ski erneut und flog trotz Skistopper den steilen Hang hinunter. Nach ca. 80 Höhenmeter kam der Ski zum Glück zum Stehen. Auf einem Ski fuhr ich nun bis zu meinem verlorenen Ski hinunter. Hier konnte ich endlich in dem geringfügig flacher gewordenen Gelände die Bindung ordentlich fixieren. Nun war es an der Zeit zu Christa hinunter zu fahren.
Christa hatte auf ca. 2.900 Hm eine Pause eingelegt und bereits auf mich gewartet. Von da konnten wir über einen zügig steilen, nach Südost ausgerichtet Hang abfahren. Ab dem Winnebachjoch ging es über 2 Querpassagen hinab bis das Tal nach Süden abknickte. Hier suchten wir uns einen gemütlichen Brotzeitplatz, der uns den Blick zur Hütte eröffnete.
An der Hütte angekommen war die Sonne bereits hinter dem Bergrücken des Gänsekragens verschwunden. Nun freuten wir uns auf das ausgezeichnete Abendessen mit Pfannkuchensuppe, Salat und für Christa geschmortes Rindfleisch mit Gemüse und für mich Spagetti mit Hackfleischsauce. Und zu guter Letzt gab’s als Nachspeise für jeden eine kleine jedoch ausgezeichnete Portion Kaiserschmarrn notabene ohne Rosinen. Zudem hatte wir eine sympatische Gruppe von 4 Skitourenbergsteiger aus München und Würzburg mit am Tisch – Julian, Andreas, Bernhard und Oliver. Die Gruppe hatte sich vor einigen Jahren bei einem gemeinsamen Skitourenkurs kennengelernt und plant seither für jedes Jahr eine neue Skitouren Unternehmung. Um 22 Uhr war es an der Zeit, sich Bett fertig zu machen.
Dr. Harald Klein