Lamsenspitz – 13. Oktober 2019

Im Bericht von meiner Bergtour zwei Wochen zuvor zur Bettlerkarspitz, hatte ich erwähnt, dass zwei Bergsteigerinnen noch zum Gipfel kamen. Im Gespräch meinte eine von beiden, dass sie ein paar Tage zuvor auf der Lamsenspitz gewesen sei. Meine Frage galt sofort dem bekannte „Lamsenkar“ unterhalb der Lamsscharte – ob sie denn das Kar abgefahren sei. Sie war über meine Frage verwundert, denn ihr war kein derartiges Kar bekannt. So kamen mir Bedenken, ob das „Lamsenkar“ auch heute noch abgefahren werden kann. Ich muss ergänzen, dass ich auch die Lamsenspitz bereits ein gutes halbes Dutzend mal bestiegen hab. Das erste mal mit 19 Jahren damals mit meinem Freund Rietsch. Ich hatte zu dieser Zeit unseren wunderschönen Kadett B Kombi in dunkelblau – das Zweitauto von meinem Vater – zur freien Verfügung, was für die damalige Zeit ein besonderer Luxus war. Vielen lieben Dank dir, mein lieber Vati – meine Erinnerungen an dich werde ich für immer in meinem Herzen tragen. Ich vermisse dich, deine Weitsicht, deinen Humor und deine wertvollen Tipps!

1971 - meine Schwester Ginde und ich mit unserem Kadett B Kombi
1971 – meine Schwester Ginde und ich mit unserem Kadett B Kombi

Mit der Ungewissheit, ob das „Lamsenkar“ noch abgefahren werden kann, hatte ich bereits am Gipfel der Bettlerkarspitz mein nächstes Bergtouren-Ziel festgelegt – die Lamsenspitz. Am 13. Oktober war es soweit. Wieder war schönes Herbstwetter vorhergesagt und ich machte mich wiederum sehr früh auf den Weg ins Karwendel. Mein früher Aufbruch sollte sich später als nützlich erweisen. Dieses mal ging’s mit dem Auto bis in die Eng hinein. Als ich um 8 Uhr mit meinen Klein MTB in der Eng startete, konnte man bereits erahnen, dass heut in der Eng Hochbetrieb herrschen wird.

Gamsjoch von der Eng
Gamsjoch im Morgenlicht
Blick nach Osten zur Birkkaspitz oberhalb dem Bins-Alm Niederleger
Oberhalb Bins-Alm Niederleger – Blick nach Osten zur Birkkarspitz

Mit dem Radl fährt man bis zu den Eng-Almen und nimmt dort die Forststraße nach Südsüdost. Gleich nachdem die Fahrstraße einen Knick nach Nordosten macht, wird’s unangenehm steil und das bleibt im Großen und Ganzen die anstehenden 600 Hm bis knapp unter das westliche Lamsenjoch so. Dort oben sucht man sich für’s Radl ein Versteck in den Latschn. Nach dieser Qual sagte ich mir, „das war wohl das letzte mal, dass ich hier mit dem Radl hochfahr“. Es macht wirklich keinen Spaß!

Westliches Lamsenjoch
Westliches Lamsenjoch

Bald hat man das westliche Lamsenjoch erreicht. Nun quert der Pfad die von der Lamsenspitz hinunter ziehenden karstigen Hänge bis zum östlichen Lamsenjoch. Hier kann man bei Morgenlicht den Blick zum Sonnjoch und ins Falzthurntal genießen.

Sonnjoch
Sonnjoch
Falzthurntal
Falzthurntal
Blick Richtung östliches Lamsenjoch
Blick Richtung östliches Lamsenjoch

Bald hat man die Lamsenjoch-Hütte erreicht und hat nun westlich die Lamsenspitz vor sich liegen. Und siehe da, ich konnte sichtlich zufrieden das „Lamsenkar“ entdecken. Damit waren meine Knie neben der 600 Hm Abfahrt mit dem Radl von weiteren ca. 200 Hm Abstieg befreit.

Lamsenspitz - das schlangenförmige "Lamsenkar" ist gut zu erkennen
Lamsenspitz – das schlangenförmige „Lamsenkar“ ist gut zu erkennen

Der Pfad führt zum Ostgrat der Lamsenspitz und zieht von da in südliche Richtung zur Lamsscharte. Bevor man diese erreicht wird der Steig ein wenig ausgesetzt. Mit Stahlseilen und Stahlstiften abgesichert lässt sich der letzte Aufschwung problemlos meistern.

BergsteigerInnen in der mit Stahlseilen abgesicherten Querung
Bergsteiger*innen in der mit Stahlseilen abgesicherten Querung
Blick Richtung Lamsenjoch-Hütte mit von frühzeitlichen Gletschern abgeschliffenem Fels
Blick Richtung Lamsenjoch-Hütte – von Gletschern aus früher Zeit abgeschliffener Fels

Nach der Scharte führt der Pfad südlich von der Lamsenspitz bis zum Einstieg in den Fels. Dort war ich enttäuscht, dass der alte spärlich gesicherte Steig durch eine Rinne und dann hinauf zum Fels durch einen Event-Klettersteig ersetzt wurde. Dieser Event-Klettersteig führt direkt in den Fels und ist mit einer Vielzahl von Stahlklammern und Stahlstiften sowie einem Stahlseil zur Absicherung ausgestattet. Zum Glück befanden sich bei meinem Aufstieg keine weiteren Bergsteiger im Klettersteig. So hatte ich den Steig zügig überwunden. Nun führt der Pfad über karstiges Gelände und abschließend durch Rinnen entspannt zum Gipfel. Hier traf ich auf ein paar Leut, einige befanden sich im Aufstieg andere bereits im Abstieg. Die Frauen waren meist, wenn wundert’s bei diesem Event-Klettersteig, mit Tights bekleidet. Bei sportlichen Damen schön anzusehen, ob es in diesem Umfeld funktional ist, sei dahingestellt. Um 11 Uhr hatte ich den Gipfel erreicht. Die Sonne hatte sich hinter Schleierwolken verzogen und der Wind, obwohl nur mäßig, lud nicht zu einer Gipfel-Brotzeit ein. So machte ich mich bald für den Abstieg fertig und vergaß dabei ein Gipfelfoto abzulichten. Im Klettersteig schloss ich auf die im Abstieg befindlichen Leut auf. Gleichzeitig kamen Leut von unten hinzu. So kam es zu Staus, wenn absteigenden und aufsteigenden Leut sich begegneten und gegengleich die Karabiner ihrer Klettersteigsets umhängen mussten. Zum Glück konnte ich einige Leut passieren und war froh, den Tumult hinter mir gelassen zu haben. Von unten kamen nun mehr und mehr Leut, so dass die Schlange im Klettersteig immer länger wurde.

Schlange von Leut im Klettersteig zur Lamsenspitz (1)
Schlange von Leut im Klettersteig zur Lamsenspitz (1)
Schlange von Leut im Klettersteig zur Lamsenspitz (3)
Schlange von Leut im Klettersteig zur Lamsenspitz (2)

Nun ging’s zurück über die Lamsscharte zum besagten „Lamsenkar“. Oben im Einstieg war, nach meinem Dafürhalten, das Kar bereits mehr ausgespült als früher. Aber bald schon ging es zügig abwärts und ich war froh, die 200 Hm entspannt abfahren zu können. Kurz vor der Lamsenjoch-Hütte gönnte ich mir meine verdiente Brotzeit. Dann ging’s über das östliche und westliche Lamsenjoch zurück zu meinem Radl.

Herbstliche Stimmung auf Höhe des Bins-Alm Hochleger
Herbstliche Stimmung auf Höhe des Bins-Alm Hochleger

Ab dem Bins-Alm Niederleger-Wirtshaus waren die Forststraße durchgehend von Wochenendtouristen überflutet und ich musste mir mit meinen Radl einen Weg durch die Mengen bahnen. Das hatte ich so noch nie erlebt. Es lag wohl daran, dass viele Leut annahmen, dass dieses Wochenende die letzte Möglichkeit zu einem Ausflug in die Berg bieten würde. Wie sich zeigen sollte, war dem allerdings nicht so.

Blick von der Eng nach Norden zum Kompar und Satteljoch
Blick von der Eng nach Norden zum Kompar und Satteljoch

Dr. Harald Klein