Beflügelt von meiner erfolgreichen ersten Skitour in dieser Saison auf den Lisenser Fernerkogel, hatte ich mir zwei Tage später eine weitere Skitour vorgenommen. Ziel sollte die Vordere Grubenwand mit 3.165 m sein. Die Grubenwand hatte ich zuvor bereits zweimal erstiegen. Am 19. April 1987 solo nach einem noch gemeinsame Hüttenaufenthalt auf der Neuen Pforzheimer Hütte mit Ritch und Jos. Wir hatten damals am Tag zuvor gemeinsam den Gleirschfernerkogel und die Roßkarscharte bestiegen. Die beiden mussten damals einen Tag früher abfahren. Sie hatten zu Ostern private Verpflichtungen einzuhalten. Das nächste Mal stand die Grubenwand gemeinsam mit Christa am 9. März 2002 auf dem Plan. Damals als Tagestour von St. Sigmund aus. Und so hatte ich es mir dieses Mal auch wieder vorgenommen. Ich wußte, das die Tour mit Start in St. Sigmund auf 1.513 m eine Mammuttour werden wird. Allerdings hatte ich mich nach der Skitour auf den Lisenser Fernerkogel fit genug gefühlt und der verheißungsvolle Wetterbericht war weiter Motivation genug.
Am Beginn der Tour war mir nicht klar, welche Forststrasse es zu folgen galt. Nach Süden war die richtige Wahl. Die Forststrasse wird als Rodelstrecke hinunter von den Gleirschhöfen genutzt. Wenn die Forststraße den Gleirschbach überquert, folgt man dieser nicht mehr weiter, sondern nutzt links den Wanderweg. Vorbei bei den Gleirschhöfen geht’s flach über den Anger weiter nach Süden ins Gleirschtal. Nach der Rieglkapelle steigt die Route gemächlich aber kontinuierlich an. Die Vordere Gleirschalm läßt man links liegen und bald eröffnet sich ein spannender Blick durch die Talöffnung in Richtung Schartlkopf 2.831 m, dem Hausberg der Neuen Pforzheimer Hütte, und zum Zwieselbacher Grießkogel 3.066 m.
Durch den Taleinschnitt hindurch kommt man auf 2.132 m beim unteren Häusl der Materialseilbahn vorbei. Mehr als die Hälfte der Wegstrecke hat man hinter sich gelassen, allerdings liegen noch gut 1.050 Hm vor einem. Der Blick ins Gleirschtal wird nun frei und offen.
Ich war froh, endlich die Rampe hinein ins Seitental zum Zischgelesferner erreicht zu haben. Von nun gewinnt man mehr Höhe.
Bald eröffnet sich der Blick auf den mit Felsen durchzogenen sehr steilen Nordhang der Grubenwand. Nun kann man in der linken Wandhälfte den steilen Durchstieg zum Grat hinauf erkennen. Dieser Durchstieg sollte nur bei sicheren Verhältnissen und mit Ski nur bei ausreichender Schneelage angegangen werden.
Der Anstieg mit Ski zum Skidepot auf dem Nordostgrat der Grubenwand war äußerst unangenehm steil. Der weiche Schnee bot den Fellen kaum halt und im sehr steile Gelände galt es zudem auf Steine zu achten. Zum Grat hin wurde es flacher und bald hat man das Skidepot erreicht. Nun geht’s die letzten 100 Hm über den Nordostgrat hinauf zur Vorderen Grubenwand.
Auf dem Nordostgrat zur Vorderen Grubenwand eröffnet sich nach Süden ein grandioser Ausblick ins Längental mit Schrankogl im Hintergrund.
Auf dem Grat zum Gipfel gilt es eine kurze Steilstufe und eine Felsplatte zu überwinden und dann hat man glücklich den Gipfel der Vorderen Grubenwand auf 3.165 m erreicht. Die schmale Schneide zur Hinteren Grubenwand lässt man auf sich wirken mit der Gewissheit, diese nicht weiter überwinden zu müssen.
Auf dem Gipfel der Vorderen Grubenwand ist man von einer beeindruckenden Bergkulisse umgeben. Bei diesem Ausblick ist es an der Zeit seine Brotzeit zu genießen. Nun geht’s zurück zum Skidepot. Zwei junge Burschen, denen ich bereits im Gleirschtal begegnet war, kamen mir beim Abstieg entgegen. Sie hatten sich zuvor in der Neuen Pforzheimer Hütte einquartiert und sind anschließend weiter Richtung Grubenwand aufgebrochen.
Bei der Abfahrt hab‘ ich mich östlich gehalten und die Hänge von der Schöntalspitz herunter gewählt.
Auf meiner Abfahrt legte ich im Gleirschtal noch eine kurze Pause. Dort herrschte eine schon fast unheimliche Stille, vermutlich bedingt durch die dämpfende Wirkung der weißen Pracht.
Bei den Gleirschhöfen gönnte ich mir zum Ausklang der gelungenen Skitour ein alkoholfreies Bier. Der Wirt hatte sich zu mir gesetzt und wir genossen bei einem Ratsch die letzten Sonnenstrahlen.
Dr. Harald Klein